Rechtliche Grundlagen

Art. 54a der Bauverordnung des Kantons Bern
Art. 54b regelt die Durchsetzung des Mobilitätskonzepts
Art. 54a der Bauverordnung des Kantons Bern

Der für autofreies/autoarmes Wohnen wichtigste Artikel der Bauverordnung des Kantons Bern (Art. 54a) lautet wie folgt:

  • Abs. 1 Von der unteren Grenze der Bandbreite nach Artikel 51 kann abgewichen werden bei Wohnüberbauungen mit mindestens zehn Wohnungen, die auf Bewohnerinnen und Bewohner ausgerichtet sind, die sehr wenige oder keine Motorfahrzeuge besitzen.
  • Abs. 2 Der reduzierte Bedarf an Abstellplätzen ist von der Bauherrschaft durch ein Konzept nachzuweisen, das die bestehenden und geplanten Mobilitätsangebote sowie die dauerhafte Sicherung und die Kontrolle der reduzierten Parkplatzbenutzung aufzeigt (Mobilitätskonzept).
  • Abs. 3  Die Mindestzahl der Abstellplätze bestimmt sich nach dem Mobilitätskonzept und der Qualität der Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr. Auf jeden Fall ist für Besucherinnen und Besucher, Menschen mit Behinderung, Notfalldienste, Güterumschlag und dergleichen eine angemessene Zahl von Parkplätzen bereitzustellen.


Art. 54b regelt die Durchsetzung des Mobilitätskonzepts
  • Abs. 1 Weichen Grundeigentümerinnen, Grundeigentümer bzw. deren Mieterinnen oder Mieter länger als drei Monate von den Vorgaben des Mobilitätskonzepts ab, setzt die Gemeindebaupolizeibehörde den verantwortlichen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern eine angemessene Frist zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands.
  • Abs. 2 Wird der rechtmässige Zustand nicht innert der gesetzten Frist wiederhergestellt, kann die Gemeinde bei den verantwortlichen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern pro beanspruchten Parkplatz eine Ersatzabgabe nach Artikel 18 Buchstabe c BauG erheben.
  • Abs. 3 Wird nach Leistung der Ersatzabgabe durch Verzicht auf das Motorfahrzeug oder durch Mieter- oder Eigentümerwechsel das Mobilitätskonzept wieder eingehalten, besteht kein Anspruch auf Rückerstattung der Abgabe.

      

Folgende Fragen müssen geklärt werden:

Handelt es sich beim Vorhaben um eine Wohnüberbauungen mit mindestens zehn Wohnungen?
Ist die Wohnüberbauung auf Bewohnerinnen ausgerichtet, die sehr wenige oder keine Motorfahrzeuge besitzen?
Wie wird die Mindestzahl der Abstellplätze bestimmt?
Was heisst dauerhafte Sicherung und Kontrolle der reduzierten Parkplatzbenutzung?
Was muss in einem Mobilitätskonzept aufgezeigt werden?
Handelt es sich beim Vorhaben um eine Wohnüberbauungen mit mindestens zehn Wohnungen?

Was ist eine „Wohnüberbauung“?

Typischerweise handelt es sich um ein oder mehrere (Wohn-)Gebäude, die eine „Gemeinsamkeit“ aufweisen, z.B. einen einheitlichen Baustil, eine gemeinsame Rechtsform oder eine enge Nachbarschaft.

Als "Wohnüberbauung" im Sinne von Art. 54a der BauV kann also auch eine Siedlung mit zehn Einfamilienhäusern betrachtet werden. Grundsätzlich ist aber weder eine gemeinsame Bauherrschaft noch ein architektonischer oder organisatorischer Zusammenhang gefordert.

Im Minimum muss ein örtlicher Zusammenhang vorliegen sowie ein gemeinsames Mobilitätskonzept.

Denkbar wäre also beispielsweise ein Zusammenschluss benachbarter Eigentümer zwecks Reduktion der bestehenden Parkplätze.

Formal geschieht die Aufhebung von Parkplätzen gleich wie der Neubau mit einem Baugesuch. Hier könnten sich z.B. Nachbarn zusammenschliessen, bis die geforderte Grösser von 10 Wohnungen erreicht ist.

Ist die Wohnüberbauung auf Bewohnerinnen ausgerichtet, die sehr wenige oder keine Motorfahrzeuge besitzen?

Wie kann aufgezeigt werden, dass die Wohnüberbauung auf Bewohnerinnen und Bewohner ausgerichtet ist, die sehr wenige oder keine Motorfahrzeuge besitzen?

Dazu gibt es viele Möglichkeiten:

  • Die Verkaufs- bzw. Vermietungsunterlagen weisen auf die Autofreiheit hin und halten fest, dass Wohnungen nur gemietet bzw. gekauft werden können, wenn eine auf ein eigenes Auto verzichtet wird.
  • Die Autofreiheit ist Bestandteil der Umsetzung einer "2000-Watt-Siedlung".
  • Bei einer Genossenschaftssiedlung ist die Autofreiheit in den Statuten verankert.
  • Die reduzierte Parkplatzbenutzung ist als zwingende Massnahme im Mobilitätskonzept festgeschrieben.
  • Der Verzicht auf ein eigenes Auto wird im Grundbuch (z.B. als Dienstbarkeit zugunsten der Allgemeinheit gemäss Artikel 781 ZGB) festgehalten. Der Vorteil des Grundbucheintrags liegt darin, dass die Pflicht gegenüber jedem Rechtsnachfolger gilt und auch bei Stockwerkeigentum automatisch die Stockwerkeigentümer verpflichtet.
      

Projekt Fabrikgässli in Biel

Die Genossenschaft FAB-A bezweckt die Erstellung und den Betrieb von Siedlungen nach folgenden Zielsetzungen:

„Bauen für die 2000 Watt-Gesellschaft. Mit energieeffizienten Gebäuden (z.B. Minergie-P), einem ökologischen Verkehrskonzept (autofreie Siedlung) und weitere Massnahmen wird der Ressourcenverbrauch in Bau und Betrieb minimiert. (…)“

STATUTEN GENOSSENSCHAFT FAB-A

II. ZWECK
ART. 2

Die Genossenschaft bezweckt ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltige, autofreie Liegenschaften zu erstellen, zu betreiben und zu unterhalten.

Zur Verfolgung dieses Zwecks schafft sie energieeffizienten, preiswerten und gemeinschaftlichen Wohn- und Gewerberaum für ihre Mitglieder. Dieser wird nur an Mitglieder vermietet, welche sich vertraglich verpflichten, während der Mietdauer weder Eigentum an Motorfahrzeugen zu halten noch solche zu besitzen. Begründete Ausnahmen hierzu werden in einem Vermietungsreglement geregelt. (…)

Wie wird die Mindestzahl der Abstellplätze bestimmt?

Wie wird die Mindestzahl der Abstellplätze bestimmt?

Für Besucher, Notfalldienste, Güterumschlag und dergleichen ist aus Sicht des VCS ca. 1 Parkplatz pro 10 bis 20 Wohnungen zweckmässig. Hier unterscheiden sich die Anforderungen kaum von „normalen“ Wohnsiedlungen.

Wenn innerhalb der Wohnüberbauung Mobility-Fahrzeuge abgestellt werden sollen, so ist dafür ca. 1 PP pro 30 Mobility-Nutzer vorzusehen.

Wie viele „reine“ Bewohner-Parkplätze angeboten werden, hängt primär von den Zielen bezüglich der Mobilität (d.h. der „Philosophie“ des Mobilitätskonzeptes) ab. Das Mobilitätskonzept muss aufzeigen, dass das bestehende und noch zu realisierende Angebot an „autofreier“ Mobilität (ÖV, Velo, Fusswege, Erreichbarkeit Einkaufsmöglichkeiten, allenfalls Hauslieferdienst etc.) so gut ist, dass auf ein eigenes Auto im Alltag ohne Probleme verzichtet werden kann.

Aus VCS Sicht reicht ein Parkplatz pro 10 Wohnungen (0,1 Parkplätze pro Wohnung) um die unterschiedlichen Bedürfnisse (Besucher, Car-Sharing-Standort, Ausnahmefall bei einem Bewohner / einer Bewohnerin) abzudecken.

Was heisst dauerhafte Sicherung und Kontrolle der reduzierten Parkplatzbenutzung?

Was heisst konkret die „dauerhafte Sicherung und die Kontrolle der reduzierten Parkplatzbenutzung“?

Mit der „dauerhaften Sicherung“ muss klar festgelegt werden, dass die Regeln des Mobilitätskonzeptes, insbesondere der Verzicht auf ein eigenes Auto, für alle zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner ebenso gilt wie für die aktuellen. Dazu gibt es verschiedene rechtliche Möglichkeiten, z.B. einen entsprechenden Eintrag im Grundbuch oder einen Vertrag mit der Gemeinde.

Die „Kontrolle der reduzierten Parkplatzbenutzung“ besteht primär aus einer "Selbstkontrolle". Die Bewohner sorgen selber dafür, dass  die Vorgaben zur Auto- und Parkplatznutzung aus dem Mobilitätkonzept eingehalten werden. Eine Berichterstattung über die Ergebnisse dieser Selbstkontrolle an die Baupolizeibehörde ist nicht vorgesehen.

Eine Kontrolle durch die Gemeinde wird – wie in andern baupolizeilichen Angelegenheiten auch – allenfalls auf Grund von Hinweisen aus der Bevölkerung erfolgen.

Um „siedlungsintern“ das Vorgehen bei Diskussionen zur Umsetzung des Mobilitätskonzeptes zu klären – und damit möglichen Konflikten vorzubeugen – ist es sicher zweckmässig, rechtsverbindlich festzuhalten, wer gemäss welchem Vorgehen Ausnahmen zu den Vorgaben des Mobilitätskonzeptes bearbeitet und bewilligt. Im weiteren ist zu definieren, wie allfällige Verstösse gegen Verpflichtungen aus dem Mobilitätskonzept siedlungsintern bearbeitet werden.

Was muss in einem Mobilitätskonzept aufgezeigt werden?

Was muss in einem Mobilitätskonzept aufgezeigt bzw. nachgewiesen werden?

Gemäss Bauverordnung und dem Vortrag der BVE an den RR zur Änderung der Bauverordnung, 22. April 2014 (PDF) muss ein Mobilitätskonzept folgende Elemente beinhalten:

  • Nachweis, dass die Wohnüberbauung mindestens 10 Wohnungen umfasst 
  • Nachweis, dass die Wohnüberbauung auf Bewohner und Bewohnerinnen ausgerichtet ist, die sehr wenige oder keine Motorfahrzeuge besitzen
  • Angaben zur Qualität der öV-Erschliessung (öV-Güteklasse)
  • bestehende und geplante Mobilitätsangebote
  • Anzahl Parkplätze gemäss Artikel 51 BauV
  • Anzahl und Verwendungszweck der effektiv geplanten Parkplätze (für Besucherinnen und Besucher, für Güterumschlag, Notfalldienste, Menschen mit Behinderung, Spitex, usw.)
  • Herleitung („Nachweis“) dieser zu realisierenden Anzahl Parkplätze
  • Geplantes Vorgehen für das Verhindern des „Parkierens auf öffentlichen Parkplätzen“  (Selbstkontrolle der reduzierten Parkplatzbenutzung)
  • geplante Sicherung der Verpflichtungen aus dem Konzept auch für zukünftige Mieter und Eigentümer
  • Ausführliche Informationen zum Mobilitätskonzept finden Sie im Kapitel Mobilitätskonzept
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